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Ein Tag in der Corona Welt – mein persönlicher Bericht

Ok. Wir sollen nicht raus. Aber ich habe mir vorgenommen, mit dem Rad zu meinem Sohn und seiner Frau nach Düsseldorf zu fahren, um ihnen zu helfen, noch ein paar wichtige Dinge in ihrer neuen Wohnung einzurichten. Dinge, die sie alleine nicht hinbekommen. Sie sind auf meine Hilfe angewiesen. Die Route habe ich lose geplant,…

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Ok. Wir sollen nicht raus. Aber ich habe mir vorgenommen, mit dem Rad zu meinem Sohn und seiner Frau nach Düsseldorf zu fahren, um ihnen zu helfen, noch ein paar wichtige Dinge in ihrer neuen Wohnung einzurichten. Dinge, die sie alleine nicht hinbekommen. Sie sind auf meine Hilfe angewiesen.

Die Route habe ich lose geplant, anhand der Vorhut, die ich letzten Sonntag noch per Rad mit meinem Freund unternommen habe. Klar war aber, dass ich mich weiter östlich bewegen musste, denn ich wollte mit der Fähre in Zons über den Rhein.

Nach dem Aufstehen hatte ich erst einmal einen Blogbeitrag über ZOOM geschrieben, mit einem Hinweis auf eine virtuelle Konzert Party zum isolierten Lagerfeuer Trio Konzert am Abend. Teil meiner entstehenden #gesundinKontaktbleiben Strategie. Davon später mehr.

Dann zuerst einmal Proviant fassen im Lidl gegenüber. Laugenbrötchen im Angebot und eine Flasche Wasser für unterwegs. Zwei Kassen sind offen. Wir stehen in langen Schlangen, mit großem Abstand. Die Leute benutzen keine Einkaufswagen, haben alles in große Plastiktaschen eingeladen.

Vor mir steht ein guter Bekannter. Er sieht sich nicht um, ich spreche ihn nicht an. Vor Corona undenkbar. Jetzt normal? Er fragt an der Kasse tatsächlich nach Klopapier. Die Kassiererin hinter ihrer Plastikwand (oder war es ein Kassierer?) erklärt ihm das Lidl Procedere. Personal ansprechen, ins Lager gehen, eine Packung bekommen. Als ich den Laden verlasse, sehe ich ihn erneut hinein gehen. Wieder nehmen wir einander nicht wahr, wieder ist es grußlos.

Ich gehe noch mal bei uns rein. Weil ich ja immer bargeldlos zahle, hab ich den Überblick über den Inhalt meines Geldbeutels verloren. Kurz mal rein geschaut und gesehen, dass kein Kleingeld mehr drin war. Das würde ich aber auf der Fähre brauchen, also noch mal in unerem häuslichen Depot aufgetankt.

Dann ging es los. Bei wunderschönem sonnigen Wetter, etwas kühl, ok, trat ich in die Pedale des SCHWARZEN BULLEN. Erst über bekannte Gefilde, dann ab Stommeln nach den roten Radwegweisern Richtung Dormagen, denn Zons ist ja ein Ortsteil dieser Stadt.

Ich fahre na klar alleine, mit mir sind nur wenige Menschen unterwegs, ich begegne niemandem. So kann ich Gedanken nachhängen.

Irgendwann wird die Wegweisung unklar. Ein älteres Paar lässt sich von mir ansprechen und nach dem Weg fragen. Sie hält gehörig(en) Abstand, er erklärt mir seine bevorzugte weitere Route. Sind wir 1,5 Meter auseinander? Spielt für ihn keine Rolle. Er ist zugewandt und redselig. Auch wenn seine Route mich in die Irre (auf einen Singletrail auf einer riesigen Wiese am Rhein) führen wird, ich mochte die Begegnung mit ihm.

Er schickt mich durch die Fußgängerzone von Dormagen. Samstags morgens ein gespenstisches Bild: kein offener Laden, kein Mensch zu sehen. Echt. Nicht zum Aushalten.

Nach Irrungen und Wirrungen und mit gehörig Verspätung erreiche ich den Anleger in Zons. Ob die Fähre überhaupt fährt? Aus der Distanz sehe ich sie schon den Rhein queren, auf dem Weg auf meine Seite. Ich erreiche sie sicher und fahre darauf. Mit mir ist nur noch ein Auto auf der Fähre.

Ich habe dem Kassierer 3,50€ hingelegt, keine Geldübergabe von Hand zu Hand. Er will mir 1,50€ zurückgeben. Ich verzichte, auch auf das Ticket. Wir unterhalten uns kurz (auf Abstand), er hat es nicht eilig wie sonst. Ich sage ihm, wie froh ich bin, dass die Fähre fährt. Er erzählt, dass sie ab Montag nicht mehr fahren werden. Sie haben nur noch ein Drittel ihrer Kunden, mit sinkender Tendenz. Das rechnet sich nicht mehr. Also: ab Montag kein Fährbetrieb mehr in Zons.

Trotz allem, der Rhein lässt einen für einen Moment das ganze Chaos vergessen.

Auf der anderen Rheinseite stehen ein paar Leute und fotografieren die fast leere Fähre. Der Anleger ist ja etwas außerhalb. Hier im Grünen sind jetzt doch Leute zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs, so wie zuvor auch auf dem Rheindamm vor Zons. Mein Eindruck: alleine oder in winzigen Grüppchen, Familien.

Mit ziemlicher Verspätung (die allerdings nichts mit Corona zu tun hat) erreiche ich nach kurzer Fahrt durch das südöstliche Düsseldorf das Haus der jungen Fells. Wir machen unsere Sachen, aber selbst wir verzichten auf die übliche Begrüßungszeremonie mit Handschütteln und Umarmung.

Wir geraten an einen Punkt, an dem wir nicht weiter kommen. Eine Fahrt in den Baumarkt ist unerlässlich. Wir fahren zu Dritt (durften wir das überhaupt?). Es gibt ja neuerdings Ausgangsperren. Egal. Am Bauhaus reiht sich am Eingang eine Schlange, der Zutritt ist reguliert. Wir müssen nicht zu lange warten, der Andrang ist doch sehr begrenzt. Kauf und Beratung erfolgen mit großem Abstand. So, wie es wohl auch sein soll.

Wir sind fertig. Aber die letzte Fähre ist weg. Ich frage mich, ob ich mich dem Notfahrplan der Deutschen Bahn anvertrauen soll. Es sieht so aus, als würde der RE1 ab Benrath regulär fahren. Ich entscheide mich dagegen und freue mich auf 35 Kilometer Rückenwind als Belohnung für den Kampf gegen den wirklich starken und böigen nördlichen Gegenwind morgens.

Ich wähle eine Route über die Fleher Brücke und dann entlang der B477.

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Kurz vor der Fleher Brücke höre ich Stimmen aus meiner Ortlieb. Ein befreundetes Paar nimmt an der Zoom Konzert Party teil. Ich klinke mich kurz ein und stelle klar, dass meine Planung etwas aus den Fugen geraten ist. Kein Ding, deuten mir die Beiden. So hatte ich kurz noch Freunde bei mir auf meiner Fahrt.

Die Rückfahrt ist spooky. Noch nie so wenig Verkehr gesehen auf der B477. Ich fahre fast die ganze Strecke auf der Fahrbahn. Corona machts möglich.

Das Leben verändert sich gerade. Ein komischer Tag zog an mir vorbei.

Nur dem Rhein scheint das alles nichts auszumachen. Er fließt wie eh und je.

Antworten auf „Ein Tag in der Corona Welt – mein persönlicher Bericht”.

  1. Siglinde Hermine Cziborra

    Schöner und beindruckender Bericht. Es ist wirklich komisch, wie einige Bekannte in Krisenzeiten uns ignorieren (Lidl). Das sind „Ich-Menschen“, die nur an sich denken; Auf diese Personengruppe kann ich sehr gut verzichten.
    Bauchweh machte mir in deinem Bericht die Fahrradstrecke. Wäre es nicht besser gewesen, mit dem Auto nach Düsseldorf zu fahren? Die Krankenhäuser sind überlastet. Gut das alles unfallfrei verlaufen ist.

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    1. warumichradfahre

      Liebe Siglinde, man kann auch im Auto Unfälle haben. Die sind dann meist viel schlimmer und mit mehreren Personen

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  2. #NOcorona #NOnCoV19 – ein viel gefährlicherer Virus – Warum ich Rad fahre

    […] den letzten Tagen habe ich an Reaktionen auch auf meine Artikel gemerkt, dass viele Leute auch mal wieder Lust haben auf anderes als […]

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